WiSe 25/26
Projektseminar "Error"
Seminarbeschreibung:
In den 1630er Jahren erlebten die Niederlande die Hochphase der Tulpenmanie. Tulpenzwiebeln wechselten— noch verborgen in der Erde und bei Geschäftsabschluss in ihrer kommenden Blüte unsichtbar — für Summen von über 5000 Gulden den Besitzer. Besonders begehrt waren ursprünglich monochrome Tulpen, die nun in neuen, gestreiften Farbkombinationen erschienen. Im Zentrum dieser außergewöhnlichen Spekulation stand ein Fehler in der Farbgebung, ausgelöst durch das Tulpenmosaikvirus.
Fehler an sich sind weder gut noch schlecht. Sie sind zunächst nichts weiter als Abweichungen von unseren Erwartungen. Um sie aber überhaupt als Abweichung zu erkennen, braucht es feste Strukturen, Normen und Ordnungsprinzipien und Regeln. Was uns als erwartbar, normgerecht oder normal, was als abweichend, ausgefallen oder unpassend gilt, basiert nicht zuletzt auf wissenschaftlichen Klassifikationssystemen, Messungen, Theorien etc. Doch auch wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden selbst erweisen sich manchmal als fehlerhaft – etwa im Lichte konkurrierender Ansätze, gemessen an verbindlichen Gütekriterien oder im historischen Rückblick. Wie aber wird aus dem Fehler eine positive Irritation des Bestehenden, ein Fortschrittsmotor und Lernanreiz – oder eine negativ beurteilte Inkorrektheit, ein zu sanktionierendes Falsch-Sein?
Gehen wir im Themenfeld Geschlecht und Diversity auf Fehlersuche, so fällt schnell ins Auge: Lange war das dominante Denken über Geschlechter von einem binären Ordnungssystem geprägt und rechtlich untermauert, dem ausschließlich „männlich“ und „weiblich“ als gültige Kategorien galten. Wurde eine*r dem starren Entweder-Oder nicht trennscharf gerecht, galten der Körper und/oder die Identität der jeweiligen Person als korrekturbedürftig, nicht aber das binäre System an sich. Dem entgegen entschied das Bundesverfassungsgericht 2017, dass es neben "männlich" und "weiblich" eine dritte Geschlechter-Option geben muss. Es hat damit rechtlich einer Variante den Status eines Bausteins für eine neue Geschlechterordnung zugewiesen; der „Fehler“ wurde zum Quell neuer Erkenntnisse. Gleichwohl wohnen wir heute einer hoch aufgeladenen Debatte bei, in der etwa das Gender-Sternchen für weit mehr steht als für einen Rechtschreibfehler. Das Konzept „Diversity“ wiederum arbeitet mit einer grundsätzlichen Bejahung der Tatsache, dass wir uns voneinander unterscheiden und niemals alle derselben Norm entsprechen. Doch auch hier können wir fragen: Wie definiert sich, welche Abweichungen vom Mainstream als kreative, produktive Besonderheiten gefeiert und welche als unliebsame Störfaktoren disqualifiziert werden? Welche Auswirkungen haben derlei Einordnungen und Benennungen für Menschen? Welche unterschiedlichen Lebensmöglichkeiten gehen damit je einher?
Solchen und weiteren Bezügen zwischen Error und Gender/ Diversity als gesellschaftlichen Ordnungskategorien gehen wir im Seminar nach. Wir erkunden, erleben und reflektieren unterschiedliche disziplinäre Zugänge und Fachkulturen, indem wir jede Sitzung an einer anderen kooperierenden Hochschule abhalten und dort tätige Nachwuchswissenschaftler*innen zu Gast haben, die uns vor Ort spannende, praktische Einblicke in ihre Forschungen rund um das Thema Error gewähren.
Termine:
Montags, 16:00 - 19:15 Uhr.
Ort: Monetastraße 4, Seminarraum
Beginn der ersten Lehrveranstaltung am 13.10.2025.
Anmeldung:
Die Anmeldung läuft über unser Ticketsystem.
Information zur Lehrperson:
HCL-300-01: Intersektionalität im Kontext von Identität, Flucht/Migration und Othering-Prozessen
Seminarbeschreibung:
Wir starten mit einer theoretischen Auseinandersetzung mit Intersektionalität als einem wesentlichen Konzept zum Verständnis sozialer Ungleichheiten in ihrem Zusammenwirken in der aktuellen feministischen Theoriebildung. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen analysieren wir die Herausbildung des Konstrukts von ‚Wir’ und ‚die Anderen’ in Antike und Aufklärung. Wir diskutieren soziologische und literarische Texte zu Identität und Migration und setzen uns mit der Bedeutung von Intersektionalität im Kontext von Othering-Prozessen auseinander. Hierbei geht es auch um Geschlechteridentitäten und sexuelle Orientierung. Wir untersuchen migrantischen Widerstand gegen rassistische Zuschreibungen in intersektionaler Perspektive und wie sich Geflüchtete aktuell selbst repräsentieren.
Das Seminar ist als Lektürekurs angelegt. Wir setzen uns aber auch mit Filmspots, Bildern und Musik auseinander. Die Seminardiskussionen werden eingeführt durch Referate der Teilnehmenden, die durch die Lehrende unterstützt werden. Das Seminar fördert kritisches Lesen und Durchdringen theoretischer Ansätze. Die Studierenden setzen sich mit Identitätsbildung in einer globalisierten Welt auseinander und haben die Möglichkeit, eigene Erfahrungen damit, zu den ‚Anderen’ gemacht zu werden aus ihrem Alltag einzubringen und gemeinsam zu reflektieren.
Ich begreife das Seminar als Ort an dem ein Instrumentarium erarbeitet wird, dass es den Teilnehmenden erlaubt die Herausbildung von Othering-Prozessen in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse, die Klassenzugehörigkeit wie die Konstruktion rassistischer Zuschreibungen und was das für Identität bedeutet intersektional zu analysieren und als historisch umkämpft zu verstehen.
Termine:
Donnerstags, 10-12 Uhr: Monetastraße 4, Seminarraum
Erster Termin: 20.10.2025
Anmeldung:
Die Anmeldung läuft über unser Ticketsystem.
Information zur Lehrperson:
HCL-300-02: Gender & Queer - Eine Einführung in aktuelle Diskurse
Seminarbeschreibung:
Dieses Grundlagenseminar wird zunächst einen Überblick über die drei Wellen der Frauenbewegung in Deutschland und die unterschiedlichen feministischen Bewegungen verschaffen, um zu verstehen, wie sich geschlechtertheoretische Ansätze akademisiert und etabliert haben. Durch Textsequenzen u. a. von Christine Klapeer (2015), Nina Degele (2019) oder Mike Laufenberg (2023) erfolgt schließlich ein Einstieg in unterschiedliche gender- und queertheoretische Ansätze, die ebenfalls kultur-historisch eingeordnet werden. Daran anknüpfend werden unterschiedliche thematische Bereiche wie der Umgang mit Geschlecht und Normativität in der Schule, in der Forschung oder in den sozialen Medien (aus teils interdisziplinären Perspektiven) betrachtet.
Diese thematischen Einblicke sollen anhand aktueller (politischer) Beispiele diskutiert werden. Ein Schwerpunkt wird dabei auf aktuelle antifeministische Bewegungen gesetzt (Grenz 2025). Im letzten Seminarblock haben die Teilnehmenden die Möglichkeit ihre eigenen Interessen und Fachexpertisen mit in die Seminargestaltung einfließen zu lassen.
Termine:
05.12. (Fr.) 12-16 Uhr: Monetastraße 4, Seminarraum
12.12. (Fr.) 12-18 Uhr: Monetastraße 4, Seminarraum
13.12. (Sa.) 10-16 Uhr: Monetastraße 4, Seminarraum
23.01. (Fr.) 12-18 Uhr: tba
24.01. (Sa.) 10-16 Uhr: tba
Anmeldung:
Die Anmeldung läuft über unser Ticketsystem.
Information zur Lehrperson:
Dr. Marvin Jansen ist Erziehungs- und Bildungswissenschaftler und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Europa-Universität Flensburg im Arbeitsbereich der Empirischen Bildungsforschung. Seine Schwerpunkte sind Bildung und soziale Ungleichheit, heteronormativitätskritische Perspektiven auf Erziehung und Bildung sowie die qualitative Bildungs- und Biografieforschung.
In seiner 2024 erschienenen Dissertation forschte er zu partnerschaftlichen Herausforderungen und Bewältigungsprozessen schwuler Männer. Aktuell arbeitet Marvin Jansen zu queeren Jugendlichen im Schulkontext und im öffentlichen Raum.
HCL-300-03: ‘Men die quicker, women are sicker‘ Vertiefung zu Gender Health Gap und soziale Ungleichheit: Gesundheit zwischen Geschlecht, Klasse, race und Arbeit
Seminarbeschreibung:
Das Seminar widmet sich der systematischen Ungleichverteilung von Gesundheit entlang gesellschaftlicher Differenzkategorien wie Geschlecht, Klasse und race. Im Zentrum steht der sogenannte Gender Health Gap, also die geschlechtsspezifische Ungleichheit in Morbidität, Diagnostik und Versorgung. Das Seminar verknüpft den Gender Health Gap mit sozialstrukturellen Faktoren wie Prekarität, der Verteilung von (bezahlter) Care-Arbeit und dem Zugang zu medizinischer Versorgung. Es werden intersektionale Ansätze eingeführt und einbezogen, um Gesundheitsungleichheiten als Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Ausbeutungsverhältnisse zu analysieren. Fallstudien zu reproduktiver Gesundheit, psychischer Erkrankung, Migration und Pflegearbeit ermöglichen eine soziologisch fundierte Auseinandersetzung mit Fragen rund um die Konstruktion und das Erleben von Gesundheit und Krankheit.
Termine:
17.10.25 14-16 Uhr - Vorbesprechung: digital
14.11.25 14-18 Uhr: tba
15.11.25 10-16 Uhr: tba
09.01.26 14-18 Uhr: Monetastraße 4, Seminarraum
10.01.26 10-16 Uhr: Monetastraße 4, Seminarraum
16.01.26 16-18 Uhr - Nachbesprechung: digital
Anmeldung:
Die Anmeldung läuft über unser Ticketsystem.
Information zur Lehrperson:
HCL-300-04: Queer & Class: Antifeminismus, Heteronormativität und rechte Diskurse im Spannungsfeld sozialer Ungleichheit
Seminarbeschreibung:
Das Seminar untersucht, wie queere und feministische Politiken in aktuellen rechten Diskursen gezielt delegitimiert und angegriffen werden. Im Fokus stehen Verschränkungen von Antifeminismus, Queerfeindlichkeit, Nationalismus und Klassismus. Neben theoretischen Grundlagen (z. B. Queer Theory, Kritische Männlichkeitsforschung, Intersektionalität) werden mediale Narrative, politische Strategien und gesellschaftliche Auswirkungen dieser Diskurse analysiert – etwa im Kontext von Sozialpolitik, Bildung oder Reproduktionsrechten.
Die Lehrveranstaltung ist dialogisch und interaktiv angelegt: Textnahe Lektüren, Perspektivwechsel, kritische Fallanalysen und aktivierende Methoden kommen zum Einsatz. Die Vielfalt an Perspektiven und Vorerfahrungen der Studierenden wird aktiv eingebunden.
Termine:
Montags, 16-18 Uhr: digital
Erster Termin: 13.10.2025
Anmeldung:
Die Anmeldung läuft über unser Ticketsystem.
Information zur Lehrperson:
HCL-300-05: Forschungskolloquium von Marisa Laugsch
Das interdisziplinäre Kolloquium bietet einen inklusiven Raum, in dem sich Studierende, Promovierende, Postdocs und alle am Zentrum Gender & Diversity interessierten Personen über Diversität, Intersektionalität und Feminismus austauschen können. Wir gestalten unsere Sitzungen gemeinsam und legen ausgehend von den Interessen der aktiven Teilnehmer*innen erst zu Beginn des Semesters Themenschwerpunkte fest.
In den einzelnen Sitzungen besteht die Möglichkeit, sowohl die eigene Forschung als auch aktuelle Themen aus Politik, Praxis und Forschung vorzustellen und Feedback durch die Gruppe zu erhalten. Neben der Auseinandersetzung mit methodischen und theoretischen Ansätzen, bspw. zu Intersektionalität, Allyship, trans und nicht-binären Perspektiven sowie gendersensibler Sprache, haben wir in der Vergangenheit beispielsweise über soziale Phänomene wie Femizide, den Umgang mit problematischen Autor*innen oder Sexismus und Rassismus in der Uni bzw. am Arbeitsplatz diskutiert.
Ziel des Kolloquiums ist es dabei einerseits den Austausch unterschiedlicher Forschungsdisziplinen wie u. a. der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Psychologie, Politikwissenschaft und Erziehungswissenschaft zu unterstützen und andererseits eine Verbindung zwischen unterschiedlichen theoretischen sowie praktischen Arbeitsbereichen herzustellen.
Die Veranstaltungen finden in der Regel in deutscher Sprache statt. Nach Absprache mit der Lehrperson besteht die Möglichkeit, einzelne Sitzungen auf Englisch zu halten.
Termine:
Wir treffen uns immer am letzten Mittwoch im Monat von 18:00 bis 19:30 Uhr (im März und August entfallen die Treffen).
Die Termine für das Wintersemester 2025/26:
- 29.10.2025
- 26.11.2025
- 17.12.2025
- 28.01.2026
- 25.02.2026
- 25.03.2026
Ort: Monetastr. 4, 20146 Hamburg, im Wintergarten.
Anmeldung:
Die Anmeldung läuft über unser Ticketsystem.
Zielgruppe:
Egal, ob ihr in dem Themengebiet promoviert und forscht, im Bachelor oder Master studiert oder einfach für Intersektionalitäts- und Diversitätsaspekte brennt – jede*r ist willkommen!
Wir gestalten unsere Sitzungen gemeinsam und freuen uns, über alle, die dazu kommen. Ihr seid eingeladen, euch aktiv mit Beiträgen und Themenvorschlägen einzubringen.
Bei Interesse schreibt uns gerne eine E-Mail an kolloquium-zgd"AT"uni-hamburg.de und kommt bei unseren Treffen vorbei.
Wir freuen uns auf bunte Diskussionen mit euch!
Informationen zur Barrierefreiheit:
Solltet Ihr spezifische Bedürfnisse haben, zögert bitte nicht, uns über E-Mail darauf anzusprechen. Wir sind offen, individuelle Lösungen für die Teilnahme zu finden.
Der Zutritt zum ZGD ist barrierefrei, nur der Zugang zu den Toiletten ist es leider nicht.
Information zur Lehrperson:
Der Lehrauftrag wird im Wechsel durch ein aktives Mitglied des Kolloquiums übernommen.
Marisa Laugsch hat ihren Master in Deutschsprachigen Literaturen an der Universität Hamburg mit der Arbeit „Mutter Sein als Beruf? – Formen der Sorge in Karin Strucks ‚Kindheits Ende. Journal einer Krise‘“ abgeschlossen. Zuvor erwarb sie einen Bachelor in Kulturwissenschaften und Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg. In ihren Arbeiten verbindet sie literaturwissenschaftliche Fragestellungen mit Themen wie Krankheit, Gesundheit, Empowerment und Disability Studies. Außerdem ist sie als freiberufliche Schreibberaterin auf das Schreiben mit chronischen Erkrankungen und Neurodivergenzen spezialisiert.